Die nächste Sitzung stand unter dem Motto „aktuelles aus der Kreislauftherapie“. Den Aufschlag machte Volker Wenzel zu den vasoaktiven Substanzen. Wer hier einen Hardliner-Vortrag erwartet hat, denn Prof. Wenzel hat die entsprechende Forschung in den letzten Jahrzehnten hierzu mit geprägt, wurde enttäuscht. Dies war auch nicht weiter schlimm, denn er rückte die Bedeutung ins rechte Licht, die nämlich eher v.a. im Rahmen der Reanimation eher gering ist. Die effektive Thoraxkompression und frühe Defibrillation ist viel wichtiger, da gibt einfach nichts dran zu rütteln. Anschließend wurde Björn Hossfeld aus Ulm zugeschalten zur Volumentherapie. Er erinnerte und ermahnte in seiner gewohnt souveränen und fundierten Art an die grundsätzliche Empfehlung zur Zurückhaltung bei der Volumengabe. Es ist so einfach: Eine Volumengabe braucht es nur bei einem Volumenmangel. Beim hämorrhagischen Schock, also einem effektiven Blutverlust, sind die kristallinen Lösungen wenig hilfreich, weil ihr Volumeneffekt gering ist. Hier haben dann bei Fehlen von Alternativen kolloidale Lösungen eingeschränkt und zurückhaltend weiterhin ihre Berechtigung, die vorgeschriebene Schulung natürlich vorausgesetzt. Bestenfalls ersetzt man zielgenau das verlorene Substrat, also die defizitären Blutbestandteile an sich. Hierzu gibt es ja mittlerweile auch in Deutschland mehrere Pilotprojekte zur präklinischen EK-Gabe.
Es ist mühsam die Erfahrungen aus anderen Ländern und Settings (Skandinavien, Metropole London, militärische Strukturen etc) auf das deutsche Gesundheits- und Rettungssystem zu übertragen und schlägt vermutlich auch fehl. Vielmehr müssen wir diesbezüglich unseren eigenen deutschen wenn nicht sogar regionalen Weg finden. Abschließend ergriff Harald Genzwürker nochmal das Mikrofon und erinnerte an das Vorhaben der agswn eine empfehlende Medikamentenliste zu erstellen. Dies ist aber kein einfaches Unterfangen, da viele Variablen hier eingehen bis hin zu einem nicht selten erheblichen Geschmackseinfluss von den Leitungskräften. Grundsätzlich sind neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten hier aber v.a. die Praktikabilität zu beachten. Eine „one size fits all“-Lösung gibt es hier wohl nicht.
Die folgende Sitzung trug den gleichen Namen wie traditionell die Jahrestagung an sich: „State of the art“. Frank Weilbacher berichtete unter dem Thema „das Beste aus der Wissenschaft“ zwei sehr interessante Studien zur Effektivität des Berliner STEMO-Projekts (CT und Lyse bei Schlaganfall vor Ort in einem speziellen Fahrzeug) und Versorgungsstrategie bei persistierendem Kammerflimmern. Für mich als Kind der Freiburger Uniklinik-Schule mit frühem bis sogar präklinischen Einsatz der ECLS natürlich ein hot topic. Aber ganz klar, beide Projekte kommen eher im städtischen Bereich und weniger bis gar nicht im ländlichen Raum zum Tragen. Der nächste Programmpunkt in dieser Session war mir persönlich eine besondere Freude: Mein geschätzter Kollege und Freund Jürgen Knapp durfte den diesjährigen Martin-Kirschner-Preis für seine Arbeit zur Implementation der Videolaryngoskopie in einem großen Luftrettungsunternehmen entgegennehmen. Herzlichen Glückwunsch lieber Jürgen – dies hast Du Dir wirklich verdient!
Nach der Mittagspause folgte die Sitzung „Kommunikation“. Den Beginn machte Rolando Rossi, ein „Altmeister“ der deutschen präklinischen Notfallmedizin mit seinen Ausführungen zur strukturierten Patientenübergabe. Ein Thema, welches zwar eigentlich einleuchtend ist aber dennoch oftmals vernachlässigt wird. Da die Übergabe eine Fertigkeit ist, ist es erlern- und trainierbar, müßte hierzu aber in der Aus- und Fortbildung mehr thematisiert werden.
Nun kam es zu meinem eigenen Beitrag unter der Überschrift „Notarzt als Teamleader – human factors“. Hierzu werde ich auch nochmal einen eigenen Beitrag verfassen. Abschließend folgte in dieser Sitzung ein wahrliches „hot“ topic mit der taktischen Lage durch Dennis Ritter aus Koblenz. Hier hat mir besonders gut gefallen, dass Dennis herausgestellt hat, dass wir hierbei nicht nur an Amok und Terror denken dürfen, sondern es schon bei einer häuslichen Gewalt oder Rempelei auf der Partymeile beginnt.
Die vorletzte Session behandelte dann die „Hot Topics 2021“ unter dem Vorsitz meines guten Freundes Albrecht Henn-Beilharz. Thomas Schlechtriemen berichtete über die Implikationen von Covid19 auf den Rettungsdienst am Beispiel des Saarlandes bis hin zu den aktuellen Test- und Impfkampagnen. Mein Eindruck ist, dass die Kuh mit der Infektionsgefahr für das Rettungsdienstpersonal aktuell schon ziemlich vom Eis ist, aber es kommen vermutlich erneut große Herausforderungen im Rahmen der auf uns zu rollenden dritten Welle auf uns zu. Anschließend gab Carsten Lott, für mich ein ERC-Ziehvater seit der ersten Stunde, einen Ausblick auf die kommenden ERC-Leitlinien. Noch ca zwei Wochen und aus den Vermutungen werden klare Aussagen, und daher möchte ich diese Zeit lieber noch warten als mich heute nebulös ausdrücken. Aber ich freue mich schon sehr auf die Umsetzung der neuen Leitlinien im (prä-)klinischen Alltag und Kursgeschäft.
Den Abschluss der Jahrestagung bildeten die Kollegen Tim Piepho und Bernd Landsleitner mit ihren Ausführungen zur pädiatrischen Atemwegssicherung und Grundsätze der Polytraumaversorung von Kindern. Ein Thema, welches auch erfahrene Notärzte immer wieder demütig macht, weil es ein seltenes aber herausforderndes Ereignis ist. Ich bin froh, dass sich neben den einschlägigen Kurskonzepten auch mittlerweile eine breitere Palette an hilfreichen Ausrüstungsgegenständen etabliert haben, die in vielen Situationen einen rettenden „Plan B“ darstellen.
Dies war mein kurzer Abriss zur Jahrestagung 2021 der agswn. Ich bin stolz, dass ich wieder vor Ort sein und einen aktiven Beitrag leisten durfte. Auch auf die Arbeit der agswn an sich will ich mal in einem eigenen Beitrag eingehen, weil es hier den Rahmen endgültig sprengen würde.
Auch wenn ich mit dieser Veranstaltung sehr zufrieden war, so freue ich mich doch schon jetzt wieder sehr darauf, dass wir uns hoffentlich 2022 wieder persönlich und im großen Rahmen zum Austausch in Baden-Baden treffen können.