Diese Woche hatte ich die große Ehre und Freude als Dozent an das EMERGENCY Schulungszentrum eingeladen zu werden. EMERGENCY ist eigentlich in Zofingen (Kanton Aargau, CH) ansässig. Der Kursus "Invasive Notfalltechniken" findet jedoch am und in Kooperation mit dem Anatomischen Institut der Uni Bern statt.
Einen ganzen Tag lang wird dort sehr praxisnah am anatomischen Präparat geübt. Kurze theoretische Inputs werden zwischen die vorgestellten Massnahmen eingestreut. Der Materialaufwand ist immens aber auch bewußt gewählt, damit alle Teilnehmer genug Verbrauchsmaterialien zur Verfügung haben und parallel geübt werden kann.
Der Kurs richtet sich an alle Interessierten aus der Notfall- und Akutmedizin, also Dipl. Rettungssanitäter HF, Anästhesiepflege, Ärzte etc., welche in die Verlegenheit kommen invasive Massnahmen zu ergreifen oder zumindest assistieren zu müssen. Hierbei sind die zugesprochenen Kompetenzen der nichtärztlichen Schweizer Kollegen umfangreicher als beim deutschen Pendant. Persönlich hat mich auch überrascht, welche diversen Techniken und Produkte bei den unterschiedlichen Rettungsdiensten in der Schweiz vorgehalten werden.
Begonnen wird zunächst gar nicht mit invasiven Massnahmen an sich: Am anatomischen Präparat werden alle Tools der supraglottischen Atemwegssicherung (LMA, LT, I-Gel) und der verschiedenen Verfahren der endotrachealen Intubation (Konventionelle Laryngoskopie, Videolaryngoskopie, "Bougie-Technik" bis hin zur "halb-invasiven" retrograden Intubation) geübt. Für mich sind diese Übungseinheiten aber sehr wichtig und ein ganz wichtiger Bestandteil der Veranstaltung - man kann halt nicht besser und praxisnäher üben als am anatomischen Modell, so dass es eine Sünde wäre diese Chance aus zu lassen. Besteht eine entsprechend ausgiebige Expertise bei den Teilnehmern kann man ja flott drüber hinweg gehen. Weiter geht es dann mit dem Ventrain-System und der Jet-Beatmung, um überbrückend bis zur Atemwegssicherung die Oxygenierung sicher zu stellen. Anschließend werden verschiedenste Verfahren der Koniotomie vorgestellt und praktisch geübt.
Nach der Mittagspause widmeten wir uns ausführlich den unterschiedlichen Strategien der Thoraxentlastung bei Spannungspneumothorax und dem Einlegen einer Bülaudrainage im Sinne einer lateralen Minithorakotomie. Den Abschluss bildeten Übungen zum intraossären Zugang an den verschiedensten Punktionsstellen.
Ich hatte ja einen gewissen Vergleich, denn ich war ja bereits begeisterter Teilnehmer eines Intech-Kurses bei den Kollegen der Uniklinik Heidelberg. Meiner Meinung nach haben beide Veranstaltungen ihre individuellen Stärken und Zielsetzungen, einen endgültigen Vergleich braucht man aber gar nicht an zu stellen bzw. wäre nicht zielführend, da man Äpfel mit Birnen vergleichen würde. Ganz klar sind es aber keinesfalls Konkurrenzveranstaltungen, sondern eher "Brüder im Geiste". Grundsätzlich mangelt es meiner Einschätzung nach an Veranstaltungsangeboten dieser Art, so dass es prinzipiell mehr Bedarf als Kursplätze gibt. Beim Intec des EMERGENCY Schulungszentrums melden sich traditionell mehrheitlich Dipl. Rettungssanitäter an und die Ärzte sind in der Minderheit - wünschenswert wäre hier ein größeres ärztliches Interesse, denn auch in deren Ausbildung kommen die invasiven Massnahmen ja deutlich zu kurz.
Bewußt wird bei EMERGENCY auf die erweiterten invasiven Massnahmen wie Clamshell-Thorakotomie, REBOA, Nähte etc verzichtet, in Heidelberg bei Intech werden sie im "Advanced-Kursformat" vermittelt. Würde man diese komplexen Massnahmen auch in Bern abhandeln wollen, würde es den Rahmen der eintägigen Veranstaltung deutlich sprengen. Abgesehen von der Clamshell-Thorakotomie braucht man hierfür zudem ein erweitertes Equipment. Wird dies im eigenen Arbeitsumfeld nicht vorgehalten, macht auch ein entsprechendes Training keinen Sinn. Wobei ich einschränkend sagen muss, dass ich damals in Heidelberg auch von der Vermittlung dieser Prozeduren sehr profitiert habe, da ich mir hauptsächlich eine fundierte Meinung bilden wollte und mir nicht eingebildet habe danach diese Massnahmen zu beherrschen.
Als Dozent war der Tag in Bern für mich eine sehr große Bereicherung fachlich wie menschlich und ich durfte erneut im kollegialen Dialog viel dazu lernen. Zudem konnte ich auch ordentlich und ausgiebig "Hand anlegen", was mein Handling weiter verbessert hat. Schließlich komme ich ja, glücklicherweise, auch nicht routinehaft dazu.
Kurzum: Die Notwendigkeit invasiver Massnahmen ist glücklicherweise ein seltenes Ereignis, ich bin aber leider auch davon überzeugt, dass sie wenn auch indiziert aus Angst häufig nicht durchgeführt werden. Man denke hier nur an die Ergebnisse der Berliner Studie über vermeidbare Todesfälle in der präklinischen Notfallmedizin. Hier sollten wir vigilanter werden und mehr fortbilden/schulen/üben. Daher kann ich die Veranstaltung absolut empfehlen!
Herzlichen Dank für die Gelegenheit als Dozent mitwirken zu können und mich würde eine Wiederholung sehr freuen.