Anlässlich meines Geburtstages wurde mir mein lang gehegter Wunsch erfüllt im Spielweg Romantik Hotel im Münstertal bei der Küchenchefin Viktoria Fuchs zu speisen. Es war ein absoluter und wundervoller Genuß, mir läuft noch jetzt das Wasser im Munde zusammen.
Aber ich wäre natürlich nicht ich, wenn ich dabei komplett abschalten könnte. Nein, ich denke mal wieder über mein Lieblingsthema „Performance“ und „Teamwork“ nach. Schon häufiger habe ich Profiküchen mit medizinischen Teams verglichen, und ich möchte diesen Gedanken nun nochmal aufnehmen und vertiefen.
Mich beeindrucken schon immer Küchenchefs und ihre Arbeit im Team. Ihre Arbeit ist extrem vielseitig: Handwerkliches Geschick auch unter Zeitdruck und beengten Platzverhältnissen, künstlerische Ausarbeitung, Servicegedanke am Kunden und eine große Liebe für das Produkt von der Zutat bis zum fertigen Gericht. Die Ansprüche der Küchenchefs an sich und auch an ihr Team sind in der Regel sehr hoch: Zwar birgt dies auch großer Konfliktpotential, macht aber auch solche Hochleistungen erst möglich. Diese Eigenschaften sorgen auch dafür, dass ich mir gerne auch Kochsendungen wie „The Taste“ und „Kitchen Impossible“ gerne anschaue. Mich beeindruckt die Mentalität und die Charakteren in dieser Branche, auch wenn ich mich selbst (zumindest auf höherem Niveau) nicht ganz identifizieren kann, denn es gibt auch hier recht viele extrovertierte und extravagante Narzißten. Aber eben auch viele liebens- und bewundernswerte „Pfundskerle“ und „taffe Küchenchefinnen“.
Meiner Meinung nach sollten wir „Mediziner“, in welcher Profession und Qualifikation auch immer, hier mal genau hinschauen und einen groben Vergleich anstellen: Gehen wir auch so sorgsam und liebevoll mit unseren Zutaten und Ausgangsprodukten um? Wissen wir sie zu schätzen und zu lieben? Wie hoch sind unsere Ansprüche an uns und was haben wir für Ziele? Imbiss oder Sterneküche? Haben wir auch eine solche Frustrationstoleranz um auch unter schwierigen Bedingungen Hochleistung der Extraklasse zu erbringen? Wie gehen wir mit unserem Team um? Gelingt uns auch die vertrauensvolle Delegation von ganzen Schlüsselfunktionen unserer Arbeit? Vergleichsweise wenig Geld bei viel Arbeit auch an Feiertagen und zu ungünstigsten Uhrzeiten sollte uns ja bekannt vorkommen. Sind wir auch kreativ oder kochen immer nur das gleiche Rezept? Bringen wir eine ähnliche Leidenschaft und die Bereitschaft zu großen Opfern auf? Man könnte noch viele Punkte mehr aufzählen...
Auch die dunkle Seite beider Branchen sollte nicht unerwähnt bleiben, damit man konstruktiv für die Zukunft lernen kann: Der Ton in den Profiküchen ist oft sehr rau und direktiv, gerade zu stressigen Zeiten wie dem abendlichen Service. Der Chef ist „der liebe Gott“ in der Küche und verlangt absoluten Gehorsam. Palastrevolutionen werden im Keim erstickt. Arbeits- und Ruhezeiten werden oft nicht eingehalten. Die Gäste wollen die „Show“ erleben, und zwar ohne lange zu warten und für wenig Geld. Da ist Idealismus und ein Höchstmass an Motivation und Engagement gefragt. Es gibt oft eine ausgeprägte Hierarchie und Fairness kann nicht immer erreicht werden. Und und und...
Kommt uns das in der Medizin nicht bekannt vor? Launische hochrangige Ärzte und Geschrei im OP bis hin zum fliegenden OP-Besteck? Disruptives Verhalten ist hier kein Fremdwort, auch wenn es nicht jeder kennt. Teamarbeit hat seine Grenzen, insbesondere zwischen unterschiedlichen Organisationseinheiten – „sollen doch die Anderen mal machen“. Und wenn da der wirtschaftliche Druck und die Nachwuchssorgen nicht wären... Wobei, die jungen Kollegen sind auch nicht mehr so belastbar und fachlich gut sowie unermüdlich motiviert wie früher... Es kann eh keiner so gut wie ich...
Zugegeben zugespitzt, aber wahrlich nicht aus der Luft gegriffen – findet ihr nicht auch?
Aber es gibt auch hoffnungsvolle Optionen für die Zukunft in beiden Bereichen. Man erkennt, welche Rolle ein exzellentes Teamwork bei situativ-effektiver Kommunikation und Leadership ist. Man erkennt, dass sich hohe Ansprüche und ein freundliches Miteinander nicht ausschließen. Wir können erkennen, dass im Nachwuchs die Zukunft unserer Zunft liegt und wir Alles daran setzen sollten sie fit für die Zukunft zu machen. Ein guter Chef/Lehrmeister schafft sich schlußendlich selber ab, was aber kein Versagen sondern eher ein Kompliment ist. Viele Kollegen sind bereit den Novizen etwas bei zu bringen, doch häufig bleiben sie bei ca 70% stehen und behalten das restliche Wissen lieber für sich. Aber warum? Haben wir solche Angst vor unseren neuen aufstrebenden Kollegen?
Ich bin überzeugt, wenn wir unsere eigene Tätigkeit mehr und ausgiebig reflektieren und neugierig auch mal in andere Branchen blicken, so können wir extrem viel lernen und uns selbst immer noch weiterentwickeln.
Mein Rat: Schaut doch mal mit diesen Augen andere Branchen an und saugt die positiven Eigenschaften auf bzw. macht sie Euch zu eigen. Was für eine Bereicherung! Und wenn es die Gastronomie ist, schmeckt es sogar noch lecker JGuten Appetit!