Ich wurde dieser Tage zu einen Tauchunfall ans sogenannte schwäbische Meer gerufen. Auch für mich ja kein alltäglicher Einsatzanlass, und obwohl ich selbst einen Tauchbrevet besitze bin ich auf dem Anflug noch mal in mich gegangen, auf welche medizinischen und organisatorischen Punkte es gleich ankommen könnte.
Vor Ort wurde mir vom bodengebundenen Notarzt ein glücklicherweise kardiorespiratorisch stabiler Patient übergeben, der nach einem unauffälligen Tauchgang mit seinem Tauchbuddy (40min, max 30m, alle Deko-Stops eingehalten) nach einer kurzen Latenz an Land über plötzliche neurologische Auffälligkeiten an den Beinen klagte. Da der Patient jung und ansonsten gesund ist, mußte von einem Zusammenhang mit dem Tauchgang ausgegangen werden.
Ich fragte, ob denn schon eine Anmeldung an einem Druckkammerzentrum erfolgt sei, was verneint wurde, weil man uns die Zielwahl überlassen wollte.
Die Suche nach dem Transportziel gestaltete sich dann überraschend schwierig und zog sich schlußendlich eigentlich nicht tolerabel fast eine Stunde hin. Die zuständige Leitstelle war sich mit der Kontaktmöglichkeit zur regionalen Druckkammer nicht sicher (für die es eigentlich auch keinen Hubschraubertransport gebraucht hätte). Man telefonierte etwas herum und schlußendlich wurde ich mit einer Notaufnahmeärztin des assoziierten Krankenhauses verbunden: Sie wollte gerne helfen und versuchte die lokalen Druckkammerbetreiber zu erreichen, was aber leider nicht gelang. Ohne Druckkammer wollte sie den Patienten nicht übernehmen, auch nicht zur Erstversorgung und Klärung, ob eine Druckkammerfahrt überhaupt notwendig sei.
Daraufhin warfen wir einen Blick auf die Homepage der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin (GTÜM). In gleicher Entfernung gab es dann zwei weitere Zentren: Am einen Zentrum erreichte ich zwar eine hilfsbereite Intensivärztin, die aber nicht wußte wie man die Druckkammer-Mannschaft an einem Freitagnachmittag aktiviert. In Freiburg hatte ich am St. Josefskrankenhaus mehr Glück. Der Dienstarzt auf der anästhesiologischen Intensivstation und geschätzter Kollege Klemens Baldas setzte sich mit großem Engagement und viel Mühe dafür ein die Kollegen des kooperierenden Druckkammerzentrums zusammen zu rufen, da es dort eigentlich keine gesicherte Notfallbereitschaft gibt. Ein Transport in die anderen Anrainerländer des Bodensees war für uns kaum eine Option: In Österreich ist auf der GTÜM-List nur Graz hinterlegt und in der Schweiz mit Notfallbereitschaft nur Genf. In Basel gibt es eine privat betriebene Kammer mit eingeschränkter Verfügbarkeit, über die ebenfalls sehr hilfsbereite Sanität Basel ließ sich jedoch keine prompte Übernahme organisieren. Ansonsten wäre nur ein Transport in weiter entfernte Zentren wie Murnau oder Wiesbaden laut GTÜM-Liste eine Option gewesen. Ich muss gestehen, dass ich aber auf dem kleinen Handydisplay meine Mühe mit der GTÜM-Homepage und den unterschiedlichen Listen hatte, so dass mir beispielsweise die Kammer in Ludwigsburg durch die Lappen ging. Um so größer war dann die Erleichterung, als wir schließlich aufgrund des großen persönlichen Einsatzes von Klemens sowie des Druckkammerteams die Zusage für Freiburg bekamen. Der Flug verlief problemlos und der Patient wurde direkt vom Landeplatz ins Druckkammerzentrum transferiert, ehe er dann danach im St. Josefskrankenhaus intensivmedizinisch betreut wurde.
Medizinisch war dieser Einsatz glücklicherweise nicht sonderlich schwierig, er war eher organisatorisch eine Herausforderung bzw. lehrreich: Tauchunfälle sind glücklicherweise hierzulande selten, was dafür sorgt, dass es nur wenige Druckkammerzentren mit einer echten 24h-Notfallbereitschaft gibt. Viele Kammern bieten nur eine eingeschränkte Notfallversorgung an und die erfassten Kommunikationswege waren an mehreren Zentren leider (intern) nicht aktuell, so dass keine Übernahme möglich war.
Hier möchte ich alle Leitstellen und Rettungsdienste von Regionen mit Tauchgebieten aufrufen ihre Kontaktdaten zu prüfen und ggf. zu aktualisieren.
Medizinisch hier nur kurz und knapp die wichtigsten Facts: Im Rahmen von Tauchgängen kann es zu allen Formen von Badeunfällen wie Ertrinken etc. kommen. Spezifisch sind beim Tauchunfall das Barotrauma sowie der Dekompressionsunfall. Das Barotrauma entsteht durch die Expansion eingeschlossener Luft beim (zu schnellen) Auftauchen. Betroffen sind die luftgefüllten Körperbereiche wie die Nebenhöhlen, die Ohren sowie die Lunge. Selten kann auch mal der Magen-/Darmtrakt betroffen sein. Beim Dekompressionsunfall kommt es zum Ausperlen von Stickstoff beim (zu schnellen) Auftauchen. Es kann zu Hauterscheinungen (Jucken, Verfärbungen), Muskel-/Gelenkschmerzen sowie allen Arten von peripheren wie zentralen neurologischen Auffälligkeiten kommen. Als Erstmassnahmen kommen neben der Überwachung leider nur eine hochdosierte Sauerstoffgabe und eine Flüssigkeitsgabe in Betracht. Ansonsten kommen die üblichen Behandlungskonzepte zur Betreuung kritisch kranker/verletzter Patienten zum Tragen.
Weitere Tips:
- Wurde ein Tauchcomputer getragen, ist dieser mit in die Klinik/Druckkammer zu geben.
- Tauchbuddies sind nach ihrem Befinden und Auffälligkeiten beim Tauchgang zu befragen.
- Das Tauchgerät wird ggf. durch die Polizei beschlagnahmt.
- Es ist zu klären, wann und wo die Pressluftflasche gefüllt wurde und ob es dabei zu Unregelmäßigkeiten (v.a. Kontamination) gekommen sein kann.
- Tauchunfälle passieren nicht nur beim Gerätetauchen, auch beim einfachen (Laien-) Apnoetauchen kann es bereits bei wenigen Metern Tauchtiefe insbesondere zu Barotraumen kommen.
- Beim reinen Barotrauma ist die Druckkammer keine Behandlungsoption, daher kann/sollte die Versorgung in der nächstgelegenen sowie geeigneten Klinik erfolgen (Ausschluss Pneumothorax sowie Vorstellung in der HNO).
Hier noch zwei interessante Internetlinks: