Voller Dankbarkeit blicke ich auf meinen letzten Helidienst zurück, da ich wieder viel dazu lernen durfte. Meine Lehren möchte ich gerne teilen:
1.) Gemeldete Reanimation bei einem jungen Mann: Es erfolgt eine Laienreanimation, jedoch kann der ersteintreffende Rettungsdienst einen guten Radialispuls feststellen. Der Patient ist komatös und die Atmung insuffizient, so dass sich die erstversorgende Notärztin zur Narkoseeinleitung und Intubation entscheidet, was jedoch misslingt. Die Maskenatmung ist problemlos möglich, so dass die Intubation dann in Ruhe erfolgen kann. Viel interessanter ist eine schwere Hypoglykämie und ein Arbeitsplatzverlust in der Fremdanamnese. Der Patient habe ca. 3 Stunden "geschlafen", ehe er dann scheinbar leblos gefunden wurde. Mein begleitender Paramedic durchsuchte daraufhin die Mülleimer in der Wohnung und sah sich fokussiert um: Im Müll wurden mehrere leere Insulinampullen und diverse Medikamentenblister gefunden, an der Wand hing ein Testament. So wurde aus der ungeklärten Bewusstlosigkeit eine Mischintoxikation incl. Insulin in suizidaler Absicht. Es macht also absolut Sinn, wenn man sich unter "E" wirklich eine möglichst gute Fremdanamnese erhebt und sich die Umgebung schnell durchsucht. Es geht hierbei nicht um eine polizeiliche Untersuchung, die wollen wir uns gar nicht anmaßen, sondern es geht darum eine belastbare Arbeitshypothese zu generieren. Die ebenfalls anwesende Polizei war jedoch übrigens sehr angetan :-)
2.) Hubschrauberverlegung bei drohender Frühgeburt: Es handelt sich um eine Schwangere in der 29. SSW mit vorzeitigen Wehen und eröffnetem Muttermund zur Verlegung in ein Neonatalzentrum. Der bodengebundene Rettungsdienst bittet um Übernahme durch den RTH bei einer Transportzeit von 30-60min je nach Verkehrslage. Der RTH hat 11min Flugzeit, am Zielort ist jedoch ein Transfer mit einem RTW notwendig (5min Fahrzeit plus Umlagerung). Es mag sein, dass wir luftgebunden schneller und schonender waren, jedoch sehe ich die Übernahme retrospektiv kritisch, denn unter Tokolyse war die Situation zwar initial stabil, wäre es aber während des Fluges zur Geburt gekommen, hätte es im RTH sicher deletäre Folgen gehabt, denn im Bergesack ist die Patientin kaum zugänglich. Das nächste mal würde/werde ich es kritischer sehen....und ggf. bodengebunden begleiten.
3.) Verlegung eines beatmeten ARDS-Patienten (a.e. Pneumonie) ins Zentrum mit der Option zur ECMO-Therapie: Ich habe mich nun innerklinisch monatelang mit Patienten dieser Art intensiv beschäftigt und wir haben viele Anfragen dieser Art aus peripheren Häusern erhalten. Für dieses Jahr ist die Saison auf jeden Fall noch nicht vorbei und die Ressourcen sind somit auch im Zentrum limitiert. Daher muss man im kollegialen Dialog gut diskutieren, welcher Patient ins Zentrum verlegt wird und wann der richtige Zeitpunkt für eine Verlegung ist. Ich habe schlußendlich bei übergeben schwierigen Sedierungsverhältnissen die Analgosedierung vertieft und habe den Patienten einmalig relaxiert, um die vorbestellende kontrollierte Beatmung während des Fluges mit wenig Interventionsmöglichkeiten zu optimieren. Jedoch war eine Beatmung mit 100% Sauerstoff, einem PEEP von 10 sowie nicht lungenprotektiven Beatmungsdrücken notwendig. Der Transport gelang schlußendlich mit etwas Mühe ohne Hypoxie, jedoch bei zunehmender Hyperkapnie. Der Patient wurde keine 24h vorher intubiert und daher ist schwer zu sagen, ob eine frühere Verlegung indiziert, notwendig und besser gewesen wäre. Ich kannte aber bisher mehr die Sichtweise des aufnehmendes Krankenhauses, nun stand ich mit ausgeschöpften konservativen Massnahmen an der Wand, aber der Transport gelang glücklicherweise ohne weitere Probleme und Herausforderungen.
4.) Schlaganfall im Zeitfenster, Übernahme vom bodengebundenen Rettungsdienst zum Transport ins Zentrum: Sicher hat der Leitspruch "Time is brain" seine Berechtigung und im Zeitfenster ist eine zügige Versorgung wichtig. In diesem Fall entschied man sich jedoch für eine "load and go"-Strategie zum Hubschrauber-Landeplatz. Dies führte jedoch, dass leider das Geburtsdatum, der Hausarzt, die Vorerkrankungen/Dauermedikation, eine Kontaktmöglichkeit zu den nächsten Angehörigen sowie der Therapiewille bei vorangeschrittenem Alter unbekannt und auf die Schnelle nicht eruierter waren. Die präklinisch eingesparte Zeit kostete es daraufhin im Zentrum....
5.) Reanimation bei einer bis dahin sehr sportlichen Rentnerin ohne relevante Vorerkrankungen: Ich habe ehrlich gesagt die Betonung der Laien-CPR ja früher für eine Motivationskampagne für Ersthelfer gehalten, aber diese Meinung muss ich eindeutig revidieren, eine gute Laienreanimation macht wirklich den Unterschied. In diesem Fall führten Ersthelfer ca. 10min eine effiziente Basisreanimation durch, dem Rettungsdienst gelang bei primärem Kammerflimmern dann nach zwei Defibrillationen schließlich der ROSC. Es war von einem kardinalen Ereignis aus zu gehen, weshalb ASS und Heparin verabreicht wurde. Wir übernahmen den luftgebundenen Transport der beatmeten Patientin (mit einem Larynxtubus, aber jedoch mit einfacher und suffizienter Beatmung) ins Zentrum. Wir konnten dank der guten Ersthelfer eine stabile Patientin in der Zielklinik übergeben. Zivilcourage und eine gute Basisausbildung macht in meinen Augen wirklich den Unterschied!
6.) VU eingeklemmte Person: Ich kenne unter "D" wie Disability die Hilfestellung "never forget the Glucose". Ich habe aber auch bei ähnlichen Unfällen jedoch ehrlich gesagt schon mehrfach den Rettungsdienst zugunsten eines raschen Transports angewiesen die BZ-Kontrolle zurück zu stellen. In diesem Fall verifizierte das Team bei einem schweren Verkehrsunfall mit eingeklemmten Patienten bereits deutlich vor meinem Eintreffen jedoch die schwere Hypoglykämie (20mg/dl) bei IDDM a.e. Typ 1. Nach Ausgleich des BZ kam es zu einer deutlichen Vigilanzverbesserung. Jedenfalls kam es zu einer klassischen Commotio-Symptomatik mit Amnesie und redundantem Nachfragen zum Geschehnis durch die Commotio.
Es klingt nach einem klassischen Simulationsszenario mit Überraschungseffekt, In diesem Falle lehrte es mir jedoch wieder einmal mehr die zwingende Notwendigkeit einer standardisierte Abarbeitung des Patienten incl. BZ-Messung.