"Heb`dir Sorg" - dieser typische Schweizer Ausdruck hat mir schon immer gefallen, jedoch hat dieser Ausdruck in diesen wilden Zeiten für mich eine besondere Bedeutung bekommen und ist längst keine Floskel mehr.
Nach einem recht anstrengenden Nachtdienst ging gestern meine Zeit am Loretto-Krankenhaus Freiburg zu Ende. Knapp zwei Jahre durfte ich an der dortigen Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin tätig sein. Es war eine echt tolle Zeit, in der ich sehr viel lernen durfte. Es ist nicht die größte Abteilung und das klinische Spektrum im Haus ist beschränkt. Was die Abteilung meiner Überzeugung nach aber grandios macht ist das Team. Pflegerisch wie ärztlich und mit ganz flacher Hierarchie wird täglich zusammen eine sehr gute Leistung erbracht. Begünstigt durch die kirchliche Trägerschaft steht aber nicht nur die fachlich gute Arbeit, sondern dabei auch die menschliche Wärme im Zentrum des Tuns. Ich bin allen Abteilungsangehörigen sehr dankbar für die tolle Zeit. Es liegt absolut nicht am Haus oder der Abteilung, dass meine Zeit dort zu Ende geht. Ich bin einfach ein unruhiger Geist und immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen und neuen Lernfeldern - zunehmend ein schon fast imperativer Drang. Eigentlich wollte ich mich ja jetzt voll und ganz der innerklinischen Notfallmedizin verschreiben, aber wie schon in einem anderen Blogartikel geschrieben gab es an mehreren potentiellen Stellen schlußendlich nicht überwindbare Schwierigkeiten. Nun gab es eine Planänderung, über die ich noch ausführlicher berichten werde, sobald der Vertrag unterschrieben ist. Nun möchte ich mich erstmal aufrichtig und herzlich vom Team des Loretto-Krankenhauses verabschieden. Bewahrt Euch Eure tolle Art mit empathischen Umgang mit den Patienten und im Team! Hebt Euch Sorg! Passt auf Euch auf und lasst Euch auch in Zeiten der Arbeitsverdichtung und ökonomischer Zwänge nicht unter kriegen! Ich werde Euch sehr vermissen, ob ihr es glaubt oder nicht; ich weiß es!
Kaum hatte ich das Loretto-Krankenhaus verlassen bin ich in das wunderschöne Glarnerland gefahren, allerdings aus traurigem Anlass: Es stand die Abdankungsfeier für einen kompetenten Kollegen und guten Freund an, der letzte Woche bei einem tragischen Arbeitsunfall sein Leben verloren hat. Es war uns Kollegen ein großes Anliegen und Bedürfnis am Wohnort des Verstorbenen im Rahmen dieser Trauerfeier Abschied zu nehmen und zusammen mit der Familie herzlich und ohne Maskerade zu trauern. Sicher nicht der Letzte, aber ein weiterer wichtiger Schritt unserer Trauerarbeit. "Heb`dir Sorg" - wie oft hatte sich so der Kollege von mir und den anderen (seinen) Jungs und Mädels aus dem Team verabschiedet. Und er hat es ernst gemeint! Und dies trägt mich nun durch diese traurigen Tage. Wir sollen auf uns aufpassen und acht geben, beruflich wie privat. Wie selbstverständlich und unachtsam gehen wir durch Alltagsleben. Dieses tragische und schreckliche Ereignis hat es uns wieder vor Augen geführt, dass eben nichts selbstverständlich ist. Es hat uns aber auch gezeigt wie wichtig es ist zusammen zu halten und wie außergewöhnlich und "löwenstark" stark unser Team ist. Hebt euch Sorg - ja, wir geben auf uns Acht.
"Heb`dir Sorg" - dies will ich auch dem verstorbenen schmerzlich-traurig zurufen! Ich vermisse Dich!
Aber "the show must go on" - heute sitze ich schon wieder im Zug zur Jahrestagung des Vereins "Plattform Menschen in komplexen Arbeitswelten" in Frankfurt am Main. Ich freue mich schon sehr auf das Wiedersehen mit den Gleichgesinnten aus dem Bereich der Human Factors und den fachlichen Austausch mit Ihnen verbunden mit neuen wertvollen Impulsen - ich werde berichten.