Kürzlich sollte ich nachts gegen 2 Uhr einen Patienten Z.n. Reanimation von einem kleineren Krankenhaus in ein Zentrumskrankenhaus bringen. Der ca. 70jährige männliche Patient wurde aufgrund einer respiratorischen oder kardialen Ursache für ca 45 min reanimiert, zudem bestanden mehrere an sich auch einzeln bedrohliche Vorerkrankungen. Über die Indikation zur Reanimation an sich und die Dauer möchte ich hier nicht eingehen, da ich nicht dabei war und die näheren Umstände dieser Einzelfallentscheidung nicht kenne.
Schließlich stellte sich ein ROSC ein. Im CCT zeigte sich keine Blutung, das EKG war unspezifisch, das Troponin bereits jedoch stark erhöht. Der Patient wurde mit einem arteriellen Zugang und einem ZVK versorgt und der Kontakt zu einem kardiologischen Zentrum aufgenommen. Nachdem dieses die Übernahme zusicherte wurde ich mit dem Patiententransfer beauftragt.
Ich erhob folgenden Erstbefund:
A - gesichert durch eine endotracheale Intubation
B- erschwert durch Z.n. Pneumonektomie links und erhöhten Beatmungsdrücken bei V.a. Aspiration im Rahmen der CPR. Narkoseführung durch (eine vergleichsweise hohe Dosierung von) Sevofluran.
C - Normofrequenter Schrittmacherrhythmus, RR 60/30mmHg trotz steigender Katecholamindosierungen
D - GCS 3 seit Beginn der Reanimation
E- Kein Trauma
Im Fokus der Transportvorbereitungen stand daher die Stabilisierung des Blutdrucks. Der Dienstarzt vor Ort berichtete mir von einer EF vor dem Ereignis von 30% bei dilatativer Kardiomyopathie. Aktuell zeige sich in der Notfallsonographie leider nur eine marginale Kontraktion, die Füllung sei normal. Aktuell werden 45ml/h Noradrenalin 3mg/50ml verabreicht, was 45 Mikrogramm pro Minute entspricht. Mir wird berichtet, dass man annähernd minütlich die Laufrate erhöhen müsse, um nicht wieder in eine Reanimationssituation zu kommen.
Ich erinnere mich an eine Faustregel eines kardiochirurgischen Oberarztes der einmal zu mir sagte: "Thomas, bei einem kranken Herz ist Widerstand zwecklos." Über die hochdosierte Gabe von Noradrenalin wurde lediglich der periphere Widerstand beeinflusst, nicht die Herzkraft. Im Gegenteil nahm diese bei hoher Nachlast immer weiter ab.
Ich bat daraufhin um einen Epinephrin-Perfusor mit 2mg/50ml, was 40 Mikrogramm pro ml entspricht. Dieser wurde mit 5ml/h gestartet ( entspricht 3,33 Mikrogramm/Minute). Daraufhin stabilisierte sich der Blutdruck bis hin zu einer grenzwertigen Hypertension, so dass die Noradrenalingabe stark reduziert werden konnte. In der Aufnahmeklinik verabreichten wir nur noch 15ml/h Noradrenalin 3mg/50ml (also 15 Mikrogramm/Minute) zusätzlich zum Epinephrin. Darunter zeigte ich in der Aufnahmeklinik ein hochnormaler Blutdruck und eine zumindest passable Pumpfunktion.
Lehre: Ich möchte dem erstbehandelnden Team keineswegs einen Vorwurf machen, ich habe sogar Verständnis, mir wäre es zu dieser Uhrzeit und dem extrem hohen Workload vielleicht ähnlich ergangen: Zur ungünstigsten Zeit des Tages wird über lange Zeit ein multimorbider Patient reanimiert, ehe sich ein ROSC einstellt. Die Hämodynamik bleibt wenig überraschend instabil nach Abklingen des Epinephrins, welches während der Reanimation verabreicht wurde. Unter der Arbeitsdiagnose Hypotonie beginnen die Anästhesiekollegen mit ihrem "Standardkatecholamin" Noradrenalin. Während der weiteren Ursachenforschung, Diagnostik, Angehörigengesprächen sowie der Transportorganisation unterläuft ein klassischer Fixierungsfehler: Bei zunehmender Hypotonie wird die Noradrenalingabe bis hin zu Höchstdosen immer mehr gesteigert. Dabei gerät aus dem Blick, dass das schwache Herz nicht gegen diesen immer höheren Widerstand an pumpen kann. Es war von mir in der Folge auch keine Heldentat und ich war auch genau so müde wie die Kollegen in der abgebenden Klinik. Was mir vergönnt war ist der initiale Blick von Außen, wie man es von der klassischen Visite kennt, wo der Chef-/Oberarzt einem scheinbar spielerisch die eigenen Fehler vor Augen führt. Ohne bereits die Behandlungsverantwortung übernommen zu haben hatte ich mehr kognitive und mentale Ressourcen als die Kollegen und konnte die kritische Situation differenzierter betrachten.
Mein Rat: Spitzt sich die klinische Situation zu, so empfehle ich ein "speak up" mit Benennung des Problems im Team. Mittels "10-für-10" lässt sich das Problem vielleicht genauer definieren und sicher die "situation awareness" im Team deutlich verbessern. Gemeinsam kann man dann nach Ursachen und Differentialdiagnosen der kritischen Situation suchen. Aber ich weiß, leichter gesagt als getan, wenn man nicht die Beobachtersituation inne hat, sondern direkt am Patientenbett steht. Aber vielleicht ist es ja möglich in der Tat einen Schritt zurück zu treten und die Situation mit mehr Überblick zu betrachten, Ist dies aus Ressorucengründen nicht möglich, kann man ja ggf. weitere personelle Hilfen heranziehen (CRM Leitsatz "mobilisiere alle Ressourcen").
Pharmakologisch betrachtet konnte das hoch potente Epinephrin neben der Vasokonstriktion auch die Inotropie deutlich verbessern, so dass auch mit weniger peripherer Vasokonstriktion ein deutlich besserer Blutdruck (als mangelhafter Surrogatparameter des Herzzeitvolumens) erreicht werden konnte.