Der DAC 2018 ist Geschichte. Auch wenn ich mich an Tag 3 auch maßgeblich um meine berufliche Zukunft gekümmert habe (ich werde zu gegebener Zeit berichten), so besuchte ich doch auch nochmal einige Vorträge, über die ich im Folgenden berichten will. Es waren an Tag 3 so viele notfallmedizinische Sitzungen im Programm, dass man gar nicht die Chance hatte alle Vorträge zu besuchen, denn es gab mehrfach Parallelveranstaltungen. Dies war begründet in einer durchlaufenden Sitzungsserie der Rubrik "facharzt fit" und parallel dazu noch mehrere notfallmedizinische Hauptsitzungen. Grundsätzlich ist es aber begrüßenswert so viele Veranstaltungen zur Notfallmedizin an zu bieten und die hohe Teilnehmerzahl an diesen Sitzungen zeigen auch den entsprechenden Bedarf bzw. Interesse an der Thematik. Ich will also nicht meckern...
Zu Beginn besuchte ich aus der Reihe "facharzt fit" die Sitzung "Das A-Problem in der Notfallmedizin: Keiner stirbt am Atemweg".
Hierbei ging es nicht darum, Weltneuheiten zu präsentieren, sondern wie es der Name der Sitzungsreihe vermuten lässt eine solides Fundament für eine Tätigkeit in der Notfallmedizin zu sichern. Den Anfang machte Prof. Timmermann aus Berlin, einer der namhaftesten Atemwegsexperten aus dem deutschen Raum mit seinem Vortrag "Der präklinische Atemweg - Optimum und Machbarkeit". Dabei ging er auf die besonderen Ansprüche an eine Atemwegssicherung in der präklinischen Notfallmedizin ein, ebenso aber auch über die deutlich erschwerten Grundvoraussetzungen. Ich denke man braucht keine Angst vor der Atemwegssicherung zu haben, aber Demut und Respekt schadet uns allen nicht, egal aus welchem Fach wir kommen. Denn bekanntlich kommt der Hochmut ja vor dem Fall... Anschließend kam mit Prof. Byhahn aus Oldenburg ein weiterer ausgewiesener Experte zu Wort. Er berichtete unter der Überschrift " Fallbeispiel: Patient mit LT beatmet im Schockraum" von erschreckenden Ereignissen nach fehlerhafter Anwendung von Larynxtuben. Zu häufig werden die LT massiv überblockt, was zu einer venösen Stauung und Schwellung der Zunge und des Mund-/Rachenraums führt und eine spätere endotracheale Intubation auch fiberoptisch unmöglich machen kann. Es ist dringend darauf zu achten, dass der Cuffdruck unter 60mmHg liegt. Weiter wurde ein Fall vorgestellt, bei dem die Spitze des LT abgeknickt war und die Beatmung massgeblich behinderte. Weiter kam es zu einer heftigen Magenüberblähung. Da keine Magensonde eingelegt wurde, blieb diese auch unentdeckt. Bei den aktuellen supraglottischen Atemwegshilfsmitteln ist der "Absaugkanal" unbedingt für die unmittelbare Einlage einer Magensonde zu nutzen. Als nächstes war den Prof. Kill aus Essen an der Reihe mit seinem Beitrag "Prähospitale Versorgung". Er warnte auch noch einmal vor einem unkritischen Einsatz des Larynxtubus und stellte dann aber die Vorteile der Videolaryngoskopie in den Vordergrund. Hierzu stellte er auch die Wachintubation unter Analgosedierung (Bsp. Ketanest) insbesondere bei kardiorespiratorisch instabilen Verhältnissen vor, wobei ich mich soweit aus dem Fenster lehnen würde diese Technik nur für Erfahrene zu empfehlen.
Die nachfolgende Sitzung dieser Reihe lautete "Das B-Problem in der Notfallmedizin: Wer A sagt muss auch B sagen". Erneut trat Prof. Kill aus Essen ans Rednerpult und sprach nun zum Thema "Spielarten der Atemnot in der Notfallmedizin". Dabei ging er insbesondere nochmal auf die grundsätzlichen Entitäten der Respiratorischen Versagens mit Störungen der Ventilation, Diffusion (für mich gibt es das schon) und der Perfusion ein. Daraus ergeben sich neben speziellen Gefahren aber auch spezifische Therapieansätze von der Sauerstoffgabe, über Medikamente bis hin zur Atemwegssicherung und Beatmung sowie invasivem Lungenersatz. Anschließend stellte Dr. Reifferscheid aus Kiel Kasuistik mit der Überschrift "Fallbeispiel: Dyspnoe und rosa Schaum vor dem Mund" vor. Es handelte sich um einen HEMS-Einsatz bei einem Patienten mit dekompensierter Linksherzinsuffizienz. Nachfolgend übernahm PD Roessler aus Göttingen ans Mikrofon und berichtete mit "NIV in der Präklinik und der Notaufnahme" über eines seiner Steckenpferde. Glücklicherweise finden entsprechende Beatmungsgeräte immer mehr Verbreitung in der Präklinik und die Anwendung wird besser geschult. Dennoch wird man nicht "einfach mal so" eine NIV anbieten und durchführen können, sondern hier bedarf es auch wieder praktischer Erfahrung und Routine. Alle Massnahmen und Bemühungen diese Routine bei ärztlichen wie nichtärztlichen Personal zu schaffen sind zu begrüßen. Nur so lässt sich die Anzahl der endotrachealen Intubationen (und ohne Zunahme der Komplikationsrate) verringern. Auf diesen Aspekt ging dann auch der nächste Referent Dr. Kumle aus Villingen-Schwenningen mit seinem Vortrag "Zeitgemäße Ventilation in der Akutmedizin - Luftpumpe ade" ein. Zum Einen braucht es hierfür moderne Beatmungsgeräte mit für den Patienten gut zu tolerierenden Beatmungsmustern. Jedoch braucht jedes Gerät aber eben auch einen gut geschulten und zur Massnahme befähigten Anwender, hier sind gute Anfänge gemacht, die aber sicher noch ausgebaut werden können.
Die nächste mehr berufspolitische Sitzung, welche für mich persönlich aber große Bedeutung besitzt, lautete "Klinische Akut- und Notfallmedizin - ein Ausblick". Prof. Gries aus Leipzig referierte hierbei zum Thema "Zusatzweiterbildung - klinische Akut- und Notfallmedizin: 14 Tage vor dem Ärztetag!" Nach jahrelangen Diskussionen verschiedener Institutionen mit stellenweise kontroversen Ansichten ist man nun zwei Wochen vor dem Ärztetag mit dem Entscheid zur neuen Musterweiterbildungsordnung fast nur noch zum Abwarten verdonnert. Wenn es aktuell nun schon keinen Facharzt für klinische Notfallmedizin in Deutschland geben wird, so wäre es ein extrem wichtiger Meilenstein, wenn sich zumindest die Zusatzweiterbildung umsetzen ließe. Mittlerweile wage ich aber hierzu keine Vorhersage mehr, zu oft änderten sich bereits die Meinungen der Interessensgruppen. Das Thema des nächsten Vortrags "Personalplanung für die Notaufnahme heute: Alles nur Improvisation?" von Dr. Kumle (Villingen-Schwenningen) hört sich zunächst scheinbar trocken an, hat aber dennoch höchste praktischer Relevanz. Improvisation ist keineswegs die Lösung, vielmehr muss eine bedarfsorientierte Flexibilität erreicht werden. Notfallmedizin findet einfach nicht werktäglich von 8-16 Uhr statt, sondern v.a. am Wochenende und außerhalb der normalen Geschäftszeiten. Daher ist es besonders wichtig die Art und Anzahl der Patienten 24h/Tag zu erfassen, denn somit lassen sich gute Vorhersagewerte über die Patientenströme generieren. Hinzu kommen natürlich immer a priori nicht vorhersehbare Sonderlagen, auf die man spontan reagieren und dann manchmal auch Improvisationstalent beweisen muss.
Meinen Kongressabschluss bildete die Sitzung "Hot Topics der Notfallmedizin" unter dem Vorsitz von Dr. Wnent und meines geschätzten Freundes PD Jürgen Knapp. Zu Beginn referierte Dr. Hossfeld aus Ulm zum Thema "A: Tipps und Tricks der Videolaryngoskopie in der Notfallmedizin". Björn ist ja ein versierter und extrem erfahrener Verfechter der Videolaryngoskopie und er spricht mir mit seinen Aussagen aus dem Herzen. Alle Notfallintubationen sind potentiell schwierige Intubationen bei schwer beeinträchtigten Patienten mit niedriger Hypoxietoleranz. Welches Produkt man dabei verwendet erscheint für mich persönlich eher Geschmacksache zu sein, viel wichtiger ist jedoch die Routine mit dem Gerät. Daher ist es auch kein Allheilmittel für den in der Intubation nicht erfahrenen Anwender. Ebenso bringt es nicht so viel, wenn der Anästhesist im OP und der Präklinik mit unterschiedlichen Modellen arbeiten muss. Darüber hinaus sind natürlich noch die verschiedenen Spatelformen zu beachten, ebenso ob man mit einem normalen Führungsstab (Hockeyschläger-Form) oder ein Stylet/Bougie nutzt. So oder so braucht es um die Vorteile der Videolaryngoskopie voll ausschöpfen zu können geübte Anwender und Assistenten.
Der nächste Vortrag lautete "B: Vorsicht bei alternativen Atemwegen in der Notfallmedizin?" gestaltet von PD Bercker aus Leipzig. Er verglich die Vor- und Nachteile sowie die Indikationen der endotrachealen Intubation mit den extraglottischen Atemwegshilfen. Grundsätzlich bleibe ich dabei, dass es sich bei den extra- oder supraglottischen Atemwegshilfen (EGA,SGA) um "ALTERNATIVEN" handelt, die kein Plan A sein sollten. Ausnahme ist hier nur die Atemwegssicherung im Rahmen der CPR durch einen nicht in der Intubation erfahrenen Anwender. Es gibt sogar Studien die suggerieren, dass die endotracheale Intubation bei CPR mit einer erhöhten Mortalität einhergeht. Aber ich halte dies für einen Bias: Es kommt mal wieder nicht so sehr darauf an, was man tut, sondern WIE man es tut. Wenn man intubiert, muss es mit einem Minimum an no-flow-time und ohne reduzierte Qualität der Thoraxkompressionen erfolgen. Die endotracheale Intubation ist und bleibt der Goldstandard der Atemwegssicherung! Im Folgenden ging PD Bercker auf die unterschiedlichen SGA mit ihren Vor- und Nachteilen sowie den modellabhängigen Risiken ein. Der Hype um den Larynxtubus scheint vorbei zu sein, wobei es nicht am Device an sich liegt, sondern wieder einmal mehr an der Anwendung. Es ist sicher nicht wie erhofft ein Allheilmittel der Notfallmedizin.
"C: Manuelle oder maschinelle Thoraxkompressionen? Was, wann und warum?" lautete der folgende Vortrag von PD Birkholz aus Erlangen. Er stellte nochmal die auf dem Markt verfügbaren Geräte mit ihrem Funktionsprinzip vor. Ebenso betonte er, dass die mCPR in den aktuellen ERC-Leitlinien nicht grundsätzlich empfohlen werden (da sich bisher kein verbessertes Überleben hierfür gezeigt werden konnte), sondern nur für Situationen mit besonderer Gefahrenlagen und langer Reanimationsdauer. Dennoch wird genau für diese Geräte eine flächendeckende Vorhaltung gefordert, um bei den genannten Situationen unmittelbar ein Gerät zur Verfügung zu haben, was Herr Birkholz dann "mCPR-Paradoxon" bezeichnete. Es gibt Daten die nahelegen, dass bei mCPR mit einem schlechteren neurologischen Outcome zu rechnen ist. Aber auch hier fürchtet Herr Birkholz und ich auch einen erheblichen Bias. Bei den mCPR handelte es sich oft um prolongierte Reanimationssituationen, die unter manueller CPR nicht überlebt bzw. die Reanimation eher abgebrochen worden wäre. Ebenso kann bei mCPR die Beatmung etwas schwerer sein, weswegen hier besonders die Anwendung der Kapnographie zu fordern ist, um die Qualität der Beatmung und der Thoraxkompressionen zu erfassen und ggf. optimieren zu können. Hier wurde auch nochmal die Sinnhaftigkeit der maschinellen Beatmung unter CPR besprochen, hier gibt es mitunter widersprüchliche und oft nicht ermutigende Daten - es bleibt spannend ob und wie sich hier ggf. die einschlägigen Empfehlungen verändert.
Den Abschluss der Session gestaltete Frau Dr. Wilke (Nauen) mit ihrem Vortrag "D:Geriatrische Patienten - Fokus übersehene Gefahren: Hyponatriämie und Infekt". Sehr engagiert und kompetent stellte sie die besonderen Bedürfnisse und Anforderungen dieser großen (der größten!) Patientengruppe dar. Ich bin ihr persönlich hierfür sehr dankbar, denn die geriatrischen Patienten liegen mir sehr am Herzen. Diese Patienten haben leider keine Lobby und die Behandlungsqualität ist nachgewiesenermaßen schlechter als bei jüngeren Patienten. Als Ausrede wird hierfür nicht selten ein reduzierter Therapiewille unterstellt, was aber eigentlich nicht gelten darf, denn oft werden die angezeigten Massnahmen schon ergriffen, aber leider oft zu spät, nicht adäquat oder ohne Kontrolle. Frau Dr. Wilke erinnerte nochmal dankenswerterweise an die Entitäten der Hyponatriämie und der Infektkonstellation, die häufig nicht erkannt oder nicht angemessen therapiert wird. Aber dabei verursachen gerade diese Entitäten eine verstärkte Gangunsicherheit und eine relevant erhöhtes Sturzrisiko mit mitunter deletären Folgen. Geriatrische Patienten präsentieren sich sehr häufig mit 'non-specific complaints', was die Diagnosefindung nicht gerade einfacher und häufig zur Herausforderung macht. Aber ist das nicht genau unser Anspruch auch die schwierigen Fälle zu meistern? Dann mal los!