Der alte Mann will es sich nochmal beweisen Teil 1 von 3

Auch ich habe mir gute Vorsätze zu Neujahr gefasst: Beim Anblick meines blanken Leibes (nein, es gibt zum Schutz der Leser keine genaueren potentiell traumatisierenden Ausführungen) in der Hotelsauna im Skiurlaub habe ich mir gedacht ich kann nicht immer nur von körperlicher Fitness als Resilienz- und Performance-Faktor predigen, ich muss es auch leben.

Und hey, ich habe den guten Vorsatz nicht noch vor dem Dreikönigstag wieder aufgegeben, sonder ich bin tatsächlich noch dran. Ich bin wahrlich kein verbissener Wettkämpfer, der den Vergleich mit Anderen (Konkurrenten!) sucht, sondern in dieser Hinsicht eher ein Einzelkämpfer, der es mit sich selbst ausmacht, aber dennoch brauche ich als Motivation (=Ziel, siehe vorheriger Beitrag) fixe Termine, auf die ich hinarbeiten kann und muss. So habe ich mir für Juni etwas gegönnt und vorgenommen - aber alles zu seiner Zeit... Da es von Neujahr bis Juni aber (zu) lange hin ist, brauchte ich noch ein paar Etappenziele.

So hatte ich mich sogleich zum Freiburger Halbmarathon angemeldet und langsam aber stetig darauf hingearbeitet. Bis dann Anfang März dieser blöde Sturz beim Training passiert ist. Daraufhin musste ich erstmal das Projekt Freiburg Halbmarathon im wahrsten Sinne des Wortes auf Eis legen und mir eine Zwangspause gönnen, was aber überhaupt nicht meinem Naturell entspricht. Bei meinem letzten Termin in der Handchirurgie antworte ich auf die Frage, wie es mir geht, dass ich maximal angekekst sei von dieser Zwangspause und nun sogar noch den Halbmarathon absagen muss. Ich wurde dann gefragt, ob ich denn den Halbmarathon auf den Händen zurück legen will? Nein, natürlich nicht, aber der Gips und so... Daraufhin hieß es zu mir schmunzelnd, dass die Hand bzw. der Gips nicht als wirkliche als Ausrede taugt, wenn ich wirklich meine Ziele verfolgen will solange ich mir vornehme nicht nochmal drauf zu fallen (wobei die Hand im Gips noch besser geschützt ist als eine Woche später ohne).

Hhhmmm, da war ja schon fast mein Stolz getroffen, und bevor ich mich noch mehr Selbstmitleid suhle habe ich mir zaghaft die Laufklamotten angezogen und habe es einfach mal 10 Tage vor dem Wettkampf mal mit einem unglaublich leichten Training versucht. Wobei es natürlich eigentlich quatsch ist nach ca. vier Wochen Trainingspause nun zu glauben man kann mit 3-4 mal eingeschränktem Training sich ernsthaft an eine Startlinie stellen. Aber seit wann bin ich ernst? 

Und so stand ich tatsächlich gestern mit Gips bei herrlichem Wetter (denn ich mag ja die Wärme) am Start des Halbmarathons. Zur Sicherheit habe ich mich mit meinem Handy bewaffnet, damit ich mich ggf. von Sieglinde ohne großen Ansehensverlust bei Aufgabe des Rennens abholen lassen kann. Und so habe ich mich als einarmiger Bandit auf die Strecke begeben, der zwar nicht mal mit der Hand schreiben kann, aber wie gesagt, zum Laufen brauche ich sie ja nicht...

Und siehe da, ich bin tatsächlich ins Ziel gekommen - das zählt, nicht Zeit oder Platzierung, dazu war ich viel zu plump in der Bewegung und konditionell zu schlecht unterwegs.

Aber ich hatte trotzdem meinen Spass bei tollem Wetter und prima Stimmung auf der Strecke. Und stolz bin ich in mehrerer Hinsicht auf mich:

1.) Ich hatte in meinen Augen eine gesunde Einstellung zum Wettkampf: Klar hatte ich den Anspruch eine für mich gute Leistung ab zu liefern, aber dennoch nicht über meine Kräfte zu gehen. Ich konnte nach vier Wochen Pause in der heißen Vorbereitungsphase keinen persönlichen Streckenrekord verlangen und im Sanitätszelt wollte ich auch nicht landen.

2.) Meine Vorbereitung was Essen und Trinken anging klappte gut: Die Kohlenhydratspeicher waren gut gefüllt und ich hatte vor dem Start am Wettkampftag bereits zwei Liter getrunken, damit ich bloß nicht schon mit einem Flüssigkeitsdefizit starte. Auf der Strecke habe ich dann an den Verpflegungsstellen eine Gehpause eingelegt um ausgiebig zu trinken und auch etwas zu essen. So hatte ich kein Malheur mit dem Kreislauf oder dem Verdauungssystem.

3.) Dank kurzer Bekleidung, Kappe und Sonnenbrille konnte mir auch das an sich herrliche Wetter und den fast sommerlichen Temperaturen nichts anhaben.

4.) Da ich nicht über meine Kräfte gegangen bin fühlte ich mich zügig nach dem Lauf und auch heute sehr wohl. Bis auf ein paar kleinere Blasen und leichten Muskelkater habe ich nichts. Einer zügigen Regeneration steht also nichts im Wege.

5.) Mein Schweinehund hat nicht gesiegt und ich bin angetreten. Die Hand war im Gips gut geschützt und ich hatte nicht den Eindruck, dass der Lauf ihr geschadet hat, hatte mir auch geschworen sonst sofort ab zu brechen.

 

Alles in Allem also eine top Veranstaltung die mir in vielerlei Hinsicht gut getan hat, weshalb ich auch sehr dankbar dafür bin. Ich konnte mir beweisen, dass ich es schaffe meine persönlichen Ziele zu verfolgen, da sie nicht zu groß , bescheiden und dennoch ernsthaft gewählt sind (siehe auch wieder vorheriger Blogbeitrag). Jetzt bin ich schon  sehr gespannt wie es weiter geht, würde Euch ja bis Juli gern noch Teil 2 und 3 vorstellen....

 

Danke auch an meine Kollegen des Lions 1, die während meines Laufs einen phantastischen Landeanflug über die Stadt hinlegten und mich damit aus der Monotonie des Laufs rissen. Mir wurde klar: Da WILL ich so schnell es geht wieder hin und darauf will ich hart hinarbeiten. Jetzt hoffe ich aber erstmal, dass der Gips bald weg kommt und ich mit dem Aufbau beginnen kann sowie mir (schmerzhafte) Residuen erspart bleiben.

 

Traurig und nachdenklich macht mich jedoch auch die Schattenseite der Laufveranstaltung: 150 Patienten wurden durch die Kollegen des Sanitätsdienstes (in meinen Augen extrem professionell)  versorgt. Viele dieser Ereignisse sind sicher unvermeidbar, einige aber auch nicht und zeigen wie wichtig auch eine gute gesundheitliche Vorbereitung (sportmedizinische Abklärung, Kleidung, Schuhe, Essen, Trinken, Training, psychische Vorbereitung...) sowie eine Demut vor diesem nicht ganz ungefährlichen Sport ist. Meiner Meinung nach hört bei Läufen ab ca. 10km der Volkssport auf und man sollte nur nach einer entsprechenden Vorbereitung antreten.

Besonders schlimm waren gestern natürlich die Reanimationsbemühungen für einen jungen Läufer, was auch mich sehr ergriffen hat und ich bin anhaltend traurig. Meine Gedanken sind nicht nur beim Patienten, sondern auch bei den Angehörigen und Freunden. Ich möchte mich jetzt auch gar keinen Ursachenspekulationen hingeben, sondern stattdessen von Herzen allen beteiligten Helfern angefangen von den Passanten vor Ort und der ersteintreffenden Sanitätsstreife über das Rettungsdienst-Team bis hin zur Klinik für ihre professionelle Arbeit und Hilfe danken. Es ist und bleibt ein tragischer und leider realer Alptraum.