Vielleicht ist es der Gipsarm und die damit verbundene Zwangspause die mich nachdenklich macht, aber der Anlass ist ja eigentlich egal...
Gut, ich bin ein idealistischer Spinner was die Notfallmedizin angeht, man denke da nur an den Namen dieser Homepage oder meine drei Leitsprüche. Da dies auch was mit Obsession zu tun hat halte ich es für extrem gut, dass nicht jeder so drauf ist...
Ich bin auch umgeben von hoch engagierten und motivierten Mitstreitern: Seien es sehr fachkundige und erfahrene Kollegen an den Standorten, Gleichgesinnte in der FOAMED-Bewegung, engagierte Lehrkräfte in der Aus- und Fortbildung, engagierte Stakeholder und Entscheidungsträger in Gremien und Organisationen, usw.
Aber spiegelt dies das deutsche Notarztwesen an sich wider? Ich glaube nicht - man muss sich eher manchmal fragen "in welcher Welt leben wir eigentlich"?
"Wir leben in einer Welt", in der viele Notärzte dienstverpflichtet sind, und dies, obwohl sie schon mehrfach bekundet haben eigentlich nicht präklinisch tätig sein zu wollen. An zahlreichen Standorten müssen die Notärzte tageweise eingekauft werden, ein routiniertes Arbeiten gemäß den regionalen Ressourcen ist da wohl nur ein Wunschtraum. Aktuell ist die Muster-WBO Notfallmedizin in Überarbeitung, aber es bleibt offen, ob es ein Meilenstein in der Qualifizierung der Notärzte wird. Die bisherige WBO lässt auf jeden Fall große Zweifel aufkommen, ob sie auf die Arbeit als Notarzt adäquat vorbereitet.
Auf den Kongressen und Tagungen sieht man immer nur die gleichen Kollegen und nie die breite Masse. Warum auch, schließlich muss man sich zumindest aktuell nicht mehr notfallmedizinisch fortbilden sobald man die entsprechende Qualifikation( ZB oder FK Notfallmedizin) mal inne hat. Dahingehend kann ich nur anraten die ZB Notfallmedizin zu erwerben, man weiß ja nie ob man im Laufe des Berufslebens mal einen anderen Job braucht und dann setzt man sich doch vielleicht gerne einfach auf eine Rettungswache.... (entschuldigt die Schwarzmalerei)
Auf Kongressen/Tagungen diskutieren wir lebhaft unter uns Nerds (Verzeihung!) die Weiterentwicklung der präklinischen Notfallmedizin, aber macht dies Sinn wenn wir um relativ gesehen Kleinigkeiten ambitioniert feilschen während die breite Masse an Notärzten "ganz andere Sorgen" hat.
Mir würden da noch spontan mehrere weitere in meinen Augen relevante Problemfelder einfallen, aber ich will mit der Schwarzmalerei nun besser aufhören, denn es bringt ja nichts...
Stattdessen möchte ich lieber an alle engagierten Notärzte und nichtärztlichen RD-Mitarbeiter dringlich appellieren: Bringt Euch aktiv nach Euren Kräften ein für eine solide und moderne Notfallmedizin. Ich plädiere für mehr Arbeit und Engagement an der Basis (angefangen von der studentischen Lehre über die ärztliche Weiterbildung bis zur notärztlichen Aus- und Fortbildung). Fragt Euch bei neuen Qualifikationen nicht primär, ob ihr selbst die notwendigen Voraussetzungen erfüllt, sondern ob es die notärztliche Versorgung wirklich und nachhaltig verbessert. Für mich zeichnet sich ein guter Notfallmediziner nicht nur dadurch aus, dass er jedes Fitzelchen an Qualifikation oder gar Titel aus sich heraus holt, sondern dass er sich sich nach Kräften wirklich für die Notfallmedizin an sich und deren Weiterentwicklung einsetzt.
Eigentlich sollte ich mehr Zeit und Hirnmasse verwenden um nicht nur mich selbst kritisch zu reflektieren, sondern das System an sich und was für positiven Einfluss ich aktiv darauf nehmen kann. Und dies bedeutet nicht nur einen schicken Vortrag auf einem Kongress zu halten, sondern mehr Basisarbeit (Ausbildung/Begleitung neuer ärztlicher und nichtärztlicher Kollegen etc.).
Habt Mut liebe engagierte Kollegen und bringt Euch bei jeder Gelegenheit für die Sache und nicht nur für Euch ein! Egal ob Ausbildung, Mentoring oder Gremienarbeit, jeder positive Impact zählt. Wir sollten uns in den Gremien und Organisationen weniger der Selbstgefälligkeit hingeben, die uns nur blind macht für die richtigen Probleme unserer Fachgebiets.
Ich kann mir schon vorstellen wie ich nun als Nestbeschmutzer verschrien werde und das es für mich besser gewesen wäre diese Zeilen nicht geschrieben zu haben. Aber ich will mir die Freiheit der eigenen Homepage und Meinungsäußerung gönnen, weil für mich die uns anvertrauten Patienten höchste Priorität haben. Und wenn dies nun der Preis ist, zahle ich es gern.
Ich entschuldige mich schon jetzt aufrichtig bei allen Kollegen, die sich nun unberechtigt angesprochen und angegriffen fühlen, aber wer mich kennt weiß, worauf es mir wirklich ankommt. Und dies ist sicher nicht Böses, ganz im Gegenteil...
Ich freue mich auch sehr über jede kritische Rückmeldung zum Thema, egal ob Mail, Twitter oder Facebook.
Und ja, ich weiß: Es gibt auch sehr viele engagierte und fachlich wie menschlich exzellente Kollegen, dies will ich gar nicht in Abrede stellen.