Am 7.2.2018 hatte ich die Ehre an der DRK Landesschule in Bühl unterrichten zu dürfen. Einen Tag lang hatte ich die Gelegenheit den angehenden Notfallsanitätern die Besonderheiten der präklinischen Narkose näher zu bringen. Ich möchte allen Schülern für ihr großes Interesse und konstruktive Fragen und somit gute Diskussionen danken. So wurde es ein kurzweiliger und hoffentlich lehrreicher Tag.
Auch für mich war er lehrreich, denn ich lerne erstens immer dazu wenn ich unterrichte, schreibe, vortrage etc. Zudem versuche ich immer meine Unterrichtstechniken weiter zu entwickeln und wie ich hier schon "angedroht" habe beschäftige ich mich nun mit meinen noch krüppligen graphischen Fertigkeiten mit Hilfe von Visualisierungstechniken zu verbessern. Immer nur PPT ist ja auch langweilig.... und da sind die guten alten Flipcharts eine tolle Abwechslung und ein effektives didaktisches Mittel. Durch vorbereitete Charts wendet man sich automatisch mehr den Zuhörern zu und die Ausführungen sind nicht so hölzern und laden zur Interaktion ein. Die ersten Gehversuche von mir sind jedenfalls gemacht und ich freue mich bei weiteren Anlässen neue Charts zu kreieren und somit meine Fertigkeiten weiter zu entwickeln. Herzlichen Dank auf jeden Fall den NFS-Schülern, dass sie so tapfer meine Erstlingswerke ertragen haben. Es ging ja dann auch im Tagesverlauf dann mit dem gewohnten PPT weiter :-)
Am Ende des Unterrichtstages sind wir mehrere Beispielfälle präklinischer Narkosen durchgegangen und haben diese diskutiert. Schnell wurde klar, dass es nicht DIE Narkose gibt, sondern verschiedene Wege/Arten mit spezifischen Vor- und Nachteilen, die immer wieder abgewogen werden müssen.
Nach dem Unterricht bin ich zum Notarztdienst gefahren und hatte prompt zwei Einsätze mit präklinischer Narkose, die ich jetzt als weitere Beispiele den Schülern und allen weiteren Interessierten nicht vorenthalten will, wobei es natürlich auch hier wieder nur ein Weg unter mehreren potentiellen Möglichkeiten ist.
Einsatz 1: Der bodengebundene Notarzt wird unter dem Stichwort "Bewusstlosigkeit" zu einem ansonsten rüstigen Patienten im Rentenalter alarmiert. Der Ehefrau sind Lähmungserscheinungen auffällig geworden und er sei auch nicht "richtig bei sich". Vorgerannt sind ein NIDDM, eine aHTN sowie Z.n. zwei Schlaganfällen in der Vergangenheit ohne nennenswerte Residuen. Der NA gibt den initialen GCS mit 8 an und berichtet über einen Herdblick nach links und eine Hemiparese rechts. Bei vermutet nicht sicheren Schutzreflexen und zunehmender Agitation und Unruhe fällt der Entschluss zur Schutzintubation und luftgebundenen Transport in ein Zentrumsspital mit V.a. zerebrales Ereignis. Kardiopulmonal ist der Patient stabil bei eher hypertensiven Blutdruckwerten, welche als Bedarfshypertonie gedeutet werden.
Eingeleitet wird mit Fentanyl als Analgetikum, Trapanal als Hypnotikum und Succinylcholin als kurzwirksames Relaxans. Die Intubation wird als einfach beschrieben, allerdings muß umintubiert werden aufgrund eines kaputten Tubus-Cuffs (wir sprachen im Unterricht noch davon!). Aufrecht erhalten wurde dann die Narkose dann zum Transport mit Fentanyl und Dormicum und es wurde bereits vor meinem Eintreffen mit Vecuronium weiter relaxiert. Während des Fluges blieb die Hämodynamik stabil und die Beatmung war einfach (kontrolliert, FiO2 1,0, AF 14/min, 550ml Atemhubvolumen, PEEP 7, kapnographische Kontrolle). Eine Dreiviertelstunde nach Abflug von der Basis konnte der Patient stabil im Schockraum übergeben werden.
Einsatz 2: Außerorts kommt es zu einer schweren Frontalkollision zweier PKW mit insgesamt sechs Insassen und einer geschätzten Kollisionsgeschwindigkeit von sicher über 100km/h. Meine Aufgabe ist mich um den scheinbar am schwersten Verletzten Mann (knapp 40 Jahre alt) zu kümmern, der komplex im Bereich der Beine eingeklemmt ist. Initial ergab sich folgender Status: A: Atemwege frei, jedoch durch Blutung im Mund-/Rachenraum aufgrund einer schweren Mittelgesichtsverletzung bedrohte Atemwege im Verlauf. Der Kopf des Beifahrers ist primär nur eingeschränkt zugänglich, da auch die A-Säule eingedrückt ist. B: Tachypnoe aufgrund von Schmerzen, keine Dyspnoe, rassliges Atemgeräusch beidseitig (V.a. Blutaspiration), Thorax ansonsten stabil, Sauerstoffsättigung bei Raumluft glücklicherweise 96%. C: Tachykard 115/min, stabiler Blutdruck, normale Rekapillarisierungszeit. D: schweres offenes SHT mit Einbruch der Stirnhöhlen, jedoch initial GCS 15, Pupillen isokor, keine Schmerzen und freie Bewegung in der HWS. E: SHT, Mittelgesichtstrauma, Thorax/Abdomen/Becken zugänglich und scheinbar unverletzt. Beide Beine eingeklemmt, offensichtliche Oberschenkelfraktur rechts.
Die technische Rettung gestaltet sich schwierig und aufwendig, ca. 30 min dauert sie trotz aller Bemühungen der Feuerwehr an. Das Dach wurde entfernt, A-/B-Säule rechts entfernt und schließlich das Fahrzeug mittels Hydraulikstempel aufgeklappt um die Beine zu befreien. Vor allem am Anfang erschien mir die Atemwegssicherung durch den schlecht zugänglichen Patientenkopf zu riskant, dies wurde im Verlauf zwar besser, aber auch dann wäre eine Intubation im Sitzen notwendig gewesen. Stattdessen wurde ein peripervenöser Zugang gelegt, Sauerstoff über Maske mit Reservoir verabreicht, der Patient monitorisiert (s.o.) und mit Ketanest und Dormicum jeweils titriert war eine suffiziente Analgosedierung unter Erhalt der Spontanatmung möglich. Weiter wurde 1g Tranexamsäure und bei weiter stabiler Hämodynamik bewußt wenig kristalloide Infusion verabreicht (mehr Auskühlung, schlechter Einfluss auf die Blutgerinnung). Trotz Decken und Wärmepack kam es rasch zu einer Hypothermie des Patientin. Nach etwa 30min gelang dann schlussendlich die Befreiung des Patienten, welcher dann rasch auf dem Spineboard bzw. Fahrtrage in den maximal vorgeheizten RTW verbracht wurde. Dort wurde dann ein weiterer großvolumiger venöser Zugang gelegt, ehe dann die endotracheale Intubation als RSI in Oberkörperhochlagerung (schräger Tragisch) erfolgte. Dazu wurde die die vorbestehende Analgosedierung mit Ketanest und Dormicum vertieft und mit Rocuronium in RSI-Dosierung relaxiert. Zuvor wurde ausreichend lang mit 15l/min und festsitzender Gesichtsmaske präoxygeniert, so dass wie beabsichtigt auf eine Maskenbeatmung verzichtet werden konnte. Die Intubation erfolgte aufgrund der oralen Blutung mit dem konventionellen Laryngoskop (Blut ist der Feind jeder Videotechnik) unter manueller in-line Stabilisierung. Im Rachen war reichlich z.T. bereist schon koaguliertes Blut (vermutlich von der Mittelgesichtsverletzung) zu finden, größtenteils schien es jedoch in die Speiseröhre ab zu laufen, so dass sich auch endotracheal glücklicherweise nichts absaugen ließ. Dennoch ließen die Rasselgeräusche pulmonal an eine Aspiration denken. Zur Aufrechterhaltung der Narkose zum Transport wurde bei anhaltend stabiler Hämodynamik (wichtig zur SHT-Therapie) dann Fentanyl und Dormicum verabreicht. Die kontrollierte Beatmung gestaltete sich problemlos: FiO2 1,0, AF 15/min, 500ml Atemzug, PEEP 5, kapnographische Kontrolle. In meinen Augen erfolgte die Patientenversorgung ruhig und konzentriert, was ich vor allem einem klasse Team zu verdanken hatte sowie der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Feuerwehr und der Einsatzleitung des Rettungsdienstes. Es wurden zügig so viele Einsatzmittel des Rettungsdienstes für die schlußendlich sieben Patienten incl. der kompletten Einsatzführungsstruktur zusammengezogen, so dass wir uns zeitnah nach einer initialen Phase des Helfermangels (völlig normal bei einem solchen Ereignis im ländlichen Raum) dann mit 5 Einsatzkräften um die medizinische Versorgung kümmern konnten.
Die beiden Fallberichte sollen absolut keine Heldengeschichten sein, diese stelle ich mir auch anders vor. Vielmehr waren es situationsangepasste Kompromisse, für die es auch unterschiedliche andere Wege gegeben hätte. Für mich war es im Moment des Einsatzes aber jedenfalls 'good-clinical practice' und somit vertretbar. Die Einsätze unterstreichen und wiederholen einfach einige Punkte aus dem Unterricht, deshalb habe ich es hier nochmal zur Zusammenfassung aufgeschrieben. Ich hoffe es trägt nachträglich nochmal etwas zum Lernerfolg bei, aber natürlich können wir auch gerne erneut drüber diskutieren.
Abschließend möchte ich nochmal kurz auf die Statistik aus dem Unterricht eingehen: Man sieht, wie unterschiedlich an den unterschiedlichen Standorten und Rettungsmitteln die Häufigkeit der präklinischen Narkose ist. In der Luftrettung ist die Häufigkeit eindeutig höher als bodengebunden, bedeutet jedoch leider auch, dass es für die dortigen Mitarbeiter vermutlich sogar ein noch selteneres Ereignis ist wie es die eh schon magere Statistik vermuten lässt. Es bedarf also einer guten Aus- und Fortbildung, eines regelmäßigen Trainings und v.a. eines guten Teams! Be prepared!
So sind auch bitte die Einsatzbilder zu verstehen: Ich bin weder davon begeistert und ich kann auf die entsprechenden Anblicke auch gern verzichten. Mir ist es jedoch ein Anliegen die künftigen Kollegen an solche komplexen Einsatzszenarien heran zu führen. Um so besser man vorbereitet wird, um so weniger wird man dann von solchen Situationen überwältigt.