Am 28.01.2018 durften wir unter dem Vorsitz von Sieglinde eine Sitzung zum Thema "Der Patient ist tot -was nun?" auf der MEDIZIN 2018 gestalten.
Sieglinde und ich danken Herrn Dirk Reichenbach von der Polizei Freiburg für seine aktive Unterstützung durch einen Vortrag zur Sichtweise der Polizei.
Ich durfte aus Sicht des Notfallmediziner beginnen, dann folgte Herr Reichenbach und Sieglinde berichtete über die Arbeit der Rechtsmedizin bei ungeklärten oder unnatürlichen Todesfällen.
Es entwickelte sich rasch und dankenswerterweise eine lebhafte Diskussion mit den Teilnehmern, die wir als große Bereicherung empfunden haben.
Gleichzeitig möchten wir uns bei den Teilnehmern auch entschuldigen. Wir haben die Sitzung nochmal nachbesprochen und sind uns einig, dass man zum Thema "Todesfeststellung/Leichenschau/Zusammenarbeit mit der Polizei und Rechtsmedizin" leider keine einfachen, allgemeingültigen und immer anwendbare Aussagen treffen kann, die Jeden glücklich und zufrieden machen.
Dazu gibt es zu viele Widrigkeiten zu meistern, hier nur ein Auszug, wie sie im Rahmen der Sitzungsdiskussion mit den Teilnehmern aufgekommen sind:
1.) Die gesetzlichen Vorgaben sind zwar eindeutig formuliert, jedoch kaum zu 100% praktikabel zu erfüllen. Es ist beispielsweise alles andere als einfach die volle Praxis für eine Todesfeststellung im Pflegeheim drei Dörfer weiter zu verlassen. Liegen dann kurz nach Todeseintritt noch keine sicheren Todeszeiten vor, wird ein zweiter Besuch zur Leichenschau notwendig. Auch die Vergütung ist hierfür nicht einfach und allgemeingültig geklärt. Nicht wundern braucht man sich daher, wenn es gehäuft zu Notarztalarmierungen kommt um den Tod fest zu stellen, auch wenn der Anrufer diesen eigentlich schon erkannt hat, der Hausarzt aber nicht wie gefordert unverzüglich die Indikation zur Reanimation ausschließen kann.
2.) Die eigentlich vorgeschriebenen Materialien für die Leichenschau sind nur bei den wenigsten Ärzten vorhanden.
3.) Führt man allein die Leichenschau durch ist es insbesondere bei beleibten Personen schwierig diese zu entkleiden und den gesamten Körper zu inspizieren.
4.) Es gab viele Berichte über die Beeinflussung durch Dritte (Angehörige, Polizei, Bestatter), die wir jedoch natürlich nicht nachkontrollieren können, aber es scheint auf jeden Fall ein häufiges Problem zu sein.
5.) Gerade im Notarzt- und KV-Notdienst ist es häufig unmöglich eine verlässliche WHO-Kausalkette her zu stellen. Eigentlich müßte somit ein Großteil der Verstorbenen als "Todesart ungeklärt" klassifiziert werden, auch wenn es keinerlei Hinweise auf einen unnatürlichen Tod gibt.
6.) Es dürfen in der WHO-Kausalkette keine funktionellen Endzustände angegeben werden, auch darf flapsig gesagt nicht "an Altersschwäche" gestorben werden. Dies provoziert aber ebenso eine Klassifikation als "ungeklärt" oder rein spekulative Angaben, die dann die Todesstatistik verfälschen. Häufig gibt es leider jedoch bei betagten Personen außer eine Reihe von chronischen aber an sich nicht tödlichen Vorerkrankungen keine anamnestischen oder klinischen Hinweise auf ein akutes Geschehen.
7.) Laut Gesetz hat der die Leichenschau durchführende Arzt bei Hinweisen auf einen nicht natürlichen Tod dafür Sorge zu tragen, dass am Fundort der Leiche oder am Leichnam an sich keine Veränderungen vorgenommen werden, bis die Polizei eintrifft. Dies kann bei hohem polizeilichen Einsatzaufkommen und fehlendem Anfangsverdacht gerade im ländlichen Bereich längere Zeit dauern. Wer kümmert sich in dieser Zeit um die anderen Patienten des niedergelassenen Arztes? Ebenso ist es aber auch für die Polizei nicht zumutbar längere Zeit auf den Leichenschau-Arzt zu warten, da ansonsten unnötig lange polizeiliche Kräfte gebunden sind.
8.) Der Umgang mit dem Formularsatz zur Leichenschau (zumindest in Baden-Württemberg) ist sagen wir mal nicht unproblematisch und es kann sehr schnell zu falschen Eintragungen oder Unleserlichkeit kommen.
9.) Die Leichenschau ist ja soweit zumutbar am Fundort des Leichnams vor zu nehmen. Im öffentlichen Raum kann es notwendig werden den Leichnam erst an einen anderen Ort (i.d.R. zum Bestatter) zu verbringen, was wiederum eine längere zeitliche Bindung für den Arzt bedeuten kann, die auch nicht vergütet wird.
...
Es gäbe noch viel weitere Punkte mehr auf zu führen, einige davon haben wir auf der MEDIZIN 2018 miteinander diskutiert. Und genau darin liegt in unseren Augen der Gewinn an dieser Veranstaltung, auch wenn wir alle nicht systemverändernde Entscheidungsträger sind: Wir können uns die Schwierigkeiten vor Augen führen und gemeinsam zumindest akzeptable und praktikable Lösungen suchen. Wir müssen gemeinsam auf die Widrigkeiten aufmerksam machen, sonst findet man nie bei den Entscheidungsträgern Gehör. Und: Ich glaube es ist uns gelungen - und dies war uns auch ganz wichtig - zu zeigen, dass man nicht nur auf die Formulare schauen, sondern vielmehr den persönlichen Kontakt zwischen den beteiligten Institutionen suchen sollte. Es ist für uns Ärzte (Niedergelassene Ärzte / Notärzte) wichtig die Angelegenheit auch mal mit den Augen eines Polizisten oder Rechtsmediziners zu betrachten, dies schafft mehr Respekt für die Arbeit der Anderen und zu verbesserten Vertrauen.
Wir scheuen es nicht in dieses Wespennest zu stochern und den kritischen Dialog an zu nehmen, auch wenn Viele behaupten mit diesem Thema könne man keinen Blumentopf gewinnen. Aber genau darum geht es eben nicht sondern darum gemeinsam und konstruktiv Problemstellungen des Alltags zu besprechen.
Wie angekündigt hier nun noch die gekürzten Präsentationen vom Sonntag: