Vor Kurzem wurde ich bodengebunden zusammen mit 4 RTW und dem OrgL RD als einzigster NA auf die Autobahn gerufen. Anlass war ein Hochrasanzunfall mit zwei Beteiligten Fahrzeugen. Ein PKW war zwar frontal stark beschädigt (u.a. Achse ausgerissen), der Fahrer war glücklicherweise jedoch unverletzt. Im anderen Fahrzeug (siehe Fotos) saß eine vierköpfige Familie sowie ein Hund und eine Katze. Alle Airbags hatten ausgelöst, die Fahrgastzelle war halbwegs intakt.Alle angeschnallten Insassen konnten sich selbständig bis zum Eintreffen der Rettungskräfte aus dem Auto befreien. Bei meinem Eintreffen wurde zunächst die ganze verschreckte aber absolut gehfähige Familie zur abgeschirmten Sichtung in den ersteintreffenden RTW verbracht. Ein vierjähriges Kind erschien unverletzt und gab auch keine Schmerzen an. Ein achtjähriges Kind hatte eine Oberlippenschwellung nach Anprall, ansonsten liess sich jedoch auch hier keine weitere Verletzung feststellen. Die Mutter gab am ganzen Körper leichtere Schmerzen an ("ich fühle mich wie verprügelt"), der Bodycheck blieb aber auch hier ohne relevanten Befund. Der Vater gab leichte Schmerzen im linken Hemithorax an, bestand jedoch vor einer weiteren Versorgung darauf, dass man sich um den Rest der Familie und die beiden Tiere kümmern sollte. Er machte einen aufgeregten Eindruck und ärgerte sich sehr über das Unfallereignis. In Absprache mit dem OrgLRD wurde nun geplant die Familie auf zwei RTW zu verteilen (je ein Erwachsener und ein Kind), genauer zu untersuchen/versorgen und zur Abklärung ins nächste regionale Traumzentrum mit angeschlossener Kinderklinik zu verbringen. Plötzlich wurde der sitzende Vater tachypnoeisch und gab Übelkeit an. Rasch wurde er auch blass und schweißig. Eine sofortige Blutdruckmessung ergab einen Wert von 70/40 mmHG und eine Tachykardie um 100/min. Daraufhin wurde der Vater allein auf die Trage umgelagert, monitorisiert undmit zwei großvolumigen Venenzugängen versorgt. Sehr rasch normalisierten sich dann wieder die Vitalparameter und der Patient gab nur noch die vorbestellenden Schmerzen im linken Hemithorax an. Auch wenn eine psychovegetative Störung nicht ausgeschlossen werden konnte erfolgte die Schockraumanmeldung und der Transport mit Sonderrechten bei anhaltender Stabilität des Patienten. Bei Übergabe im Schockraum imponierte dann ein zunehmendes Hämatom mit Schürfung der linken Thoraxseite. Bereits im FAST zeigte sich freie Flüssigkeit retrovesikal, in der CT-Traumaspirale wurde dies verifiziert und es konnte eine Milzlazeration als Ursache ausgemacht werden.
Lehre aus dem Einsatz: Es war wie aus dem Lehrbuch, zunächst ist der Patient vollkommen stabil, nur wenig schmerzgeplagt und sorgt sich um seine Familie und das Auto. Zweizeitig kommt es dann zum Kollaps bei Milzverletzung. Glücklicherweise hatte man alle Patienten zuvor aufgrund der Unfallkinetik als abklärungsbedürftig eingeschätzt und es waren genug Rettungsmittel verfügbar. Eine präklinisch verfügbare Sonographie hätte vielleicht bereits im Rahmen der Sichtung die Detektion der freien Flüssigkeit ermöglicht und hätte ggf. die weitere Versorgung beschleunigt.